Zufrieden mit der Unzufriedenheit?! 

Ein ungewöhnlicher, aber effektiver Tipp!

Grundsätzlich ist es sinnvoll, sich Ziele zu setzen und entsprechend zu handeln. Das Leben also nicht nur durch den Zufall bestimmen zu lassen, sondern das Steuerrad selbst in die Hand zu nehmen, den richtigen Kurs anhand seiner Interessen zu bestimmen, aktiv zu werden und Spaß an der eigenen Entwicklung zu haben. Die Erkenntnis, dass sich Einsatz und Disziplin auszahlen, man Erfahrungen sammelt und seine Fähigkeiten ausbaut sowie selbst gesteckte Ziele erreicht, fühlt sich einfach gut an. Wir möchten unsere Ressourcen wie Zeit und Energie möglichst optimal im Sinne unserer Ziele einsetzen. 

 

Soweit so gut. Doch auf der anderen Seite kann die Optimierung auch mit einer falschen Grundeinstellung angegangen werden. Eine gesteigerte Zufriedenheit ist dann häufig nicht die Folge, sondern eher das Gegenteil. Zum Beispiel wenn man seine Ungeduld nicht in den Griff bekommt und sofort in jedem Lebensbereich die tollsten Ergebnisse haben möchte, oder wenn man, ohne es wirklich bewusst zu merken, die Veranlagung hat, sowieso mit nichts zufrieden zu sein. Wer dauerhaft aus einem „gefühlten“ Defizit heraus handelt, anstatt mit einer spielerischen Herangehensweise Spaß an der eigenen Weiterentwicklung hat, reduziert seine Zufriedenheit.   

 

Vielleicht kommt Dir der folgende Vorgang bekannt vor: 

Du hast ein Ziel erreicht, doch die Freude hält nur kurz an und schnell vermutest Du dein Glück wieder in der Zukunft, wenn dieses oder jenes eintritt oder erreicht ist. Zum Beispiel mehr Geld verdienen als heute. Doch wenn es dann so weit ist, beginnt der Kreislauf erneut. Du läufst also immer der Zufriedenheit hinterher und befindest dich im sprichwörtlichen Hamsterrad (s. hierzu Fußnote [1]). Was geht hier vor? 

 

Der Verstand malt sich oftmals eine perfekte Zukunft aus, wird später jedoch die neue Situation als suboptimal auffassen. Genau das ist der grundlegende, häufig unbewusste Irrtum. Durch die Hoffnung auf Glück in der Zukunft – über die Erreichung bestimmter Ziele – wird Unzufriedenheit in der Gegenwart erzeugt. Unbewusst wird angenommen: „Heute darf ich noch nicht zufrieden sein, ich reiche noch nicht aus und muss noch besser werden und dieses oder jenes erreichen.“ 

 

Die Zufriedenheit wird also an zukünftige Bedingungen geknüpft, die, wenn sie erreicht werden, dann doch wieder nicht zufriedenstellen.  

Dies trifft natürlich nicht auf alle Menschen gleich stark zu. 

Vermutlich verstärken die Leistungs-und Konsumgesellschaft sowie die Werbung das Muster des nie Ausreichens („Dieses oder jenes musst Du haben, um gut zu sein!“). Ist diese Struktur in Dir zu stark verankert und Du bist Dir dessen nicht bewusst, kann sich eine dauerhafte, latente Unzufriedenheit in Dir breit machen. Obwohl Du so viel tust, bist Du unzufrieden. Das verwirrt, treibt an und laugt Dich aus.  

 

Was kann getan werden?

 

Ändere deine Grundeinstellung! Pfeif einfach drauf und durchbrich immer wieder diesen Kreislauf! Sei einfach damit zufrieden, aktuell nicht zu 100 % zufrieden zu sein! Mach Dir keinen Stress mehr damit, dein Leben lang den Illusionen des Perfektionismus und der ewigen Glückseligkeit hinterherzulaufen. Du verabschiedest dich von der schädlichen Seite der Maximierung und entscheidest Dich bewusst dafür, bereits jetzt entspannt und zufrieden mit der „gefühlt“ nicht ganz perfekten Situation zu sein. Die Gedanken und Emotionen können uns nämlich immer vorgaukeln, das Hier und Jetzt ist nicht perfekt und muss geändert werden. Doch wird es geändert, ist auch das nächste Hier und Jetzt nicht gut genug usw. Aus diesem Kreislauf kannst Du jedoch step by step ausbrechen, wenn Du Dich immer wieder „bewusst“ dafür entscheidest. 

 

Es mag vielleicht wie ein Widerspruch klingen, wenn ich als Coach davon spreche, Ziele zu erreichen und gleichzeitig seine Unzufriedenheit anzunehmen. Dieses Annehmen bedeutet jedoch nicht, keine Ziele mehr zu haben. Durch die Akzeptanz der Unzufriedenheit stellt sich eine Entspannung, eine besondere Art der Zufriedenheit ein. Dadurch kommst Du in den Flow und genießt den Prozess der Zielerreichung sowie den jetzigen Moment. Die Ungeduld lässt nach. Die ständige Bewertung, was Du alles wann erreichen musst, lässt nach. Gedanken an ein Scheitern lassen nach. Du tust die Dinge auch um ihrer selbst willen und nicht nur, um in drei Stunden, morgen oder in drei Monaten damit etwas zu erreichen. Du sitzt auf dem Fahrersitz und erkennst, dass Du bisher das Gaspedal durchgedrückt und gleichzeitig die Handbremse angezogen hast! Das war die Blockade! Doch Du musst gar nicht so viel Gas geben, sondern einfach die Handbremse lösen. Stell es Dir bildlich vor und fühle, wie Du die Handbremse löst und dein Auto ganz locker und entspannt losfährt. Fühlt sich das gut an? 

 

Du definierst also nach wie vor Ziele und versuchst diese zu erreichen. Einfach, weil aktive Weiterentwicklung Spaß macht. Und falls Du heute nicht ganz zufrieden bist, dann pfeif einfach für den Moment drauf. Mach Dich davon frei. Solche störenden Gedanken lässt Du einfach kommen und gehen, ohne Dich mit dem ganzen Gedankenmüll zu identifizieren. Regelmäßige Meditation könnte Dir dabei helfen. 

 

Vieles beginnt Spaß zu machen, wenn Du die Störungen beseitigst. 

Ganz wie Eckhart Tolle sagt: "Du bist nicht deine Gedanken." 

 

Sei genau in diesem Moment konzentriert bei dem, was Du tust und genieße den Flow. Es ist nicht immer eine gute Situation, die Dir Freude macht, sondern Du lässt Dich auf die aktuelle Situation ein, legst die Negativität weg („Handbremse lösen“) und dadurch verändert sich genau diese Situation zu einer besseren. In der Folge wirkt diese wieder auf Dich zurück und gibt Dir positive Power! Du bist also der Ausgangspunkt. Versuche es einfach mal und bleibe dran. Ich gehe davon aus, dass sich deine Ergebnisse und Zufriedenheit nicht verschlechtern werden. 

 

Zum Abschluss meine klare Empfehlung „JETZT! Die Kraft der Gegenwart“ von Eckhart Tolle zu lesen. Das Buch hat diesen Artikel mitinspiriert. 

 

Fußnote [1]: In der Wissenschaft ist dieser Effekt unter dem Namen „Hedonic Treadmill“ bekannt (vgl. Dobelli 2011: 189-191). Geld und materielle Besitztümer haben demnach nur einen kurzfristig positiven Effekt auf das Zufriedenheitsniveau. So geht die Freude über eine Gehaltserhöhung bald wieder zurück und das Level an Zufriedenheit nähert sich wieder dem früheren Wert an (vgl. Dobelli 2011: 189-191). 


Text: ©David R. Hielscher 2021, 2022.

 

Literatur zum Thema Hedonic Treadmill: Dobelli, Rolf. 2011. Die Kunst des klaren Denkens. 52 Denkfehler die Sie besser anderen überlassen. Carl Hanser Verlag München.


Literatur zum Thema im Jetzt zufrieden sein: Tolle, Eckhart. 2010. Jetzt! Die Kraft der Gegenwart. Ein Leitfaden zum spirituellen Erwachen. 23. Auflage 2010. J. Kamphausen Verlag & Distribution GmbH, Bielefeld 2000.